Die erste Kemptener Wasserversorgung wurde von den Römern gebaut. Alle Spuren von Wasserleitungen aus Holz und Keramik im Gelände der einstigen Römerstadt und die heute noch bestehenden Quellen sprechen dafür: Das römische Cambodunum rechts der Iller (ca. 10 n. Chr. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr.) bezog sein Wasser vom Lenzfrieder Höhenrücken und seinem Umland. Aus der hier zu Tage tretenden Gesteinsrippe wurde einer großer Teil der römischen Siedlung erbaut.
Die Römer waren bekannt als gute Ingenieure, für ihre Thermenkultur - und ihren hohen Wasserverbrauch. Sie kannten bereits Holzdeichel-Leitungen, ausgehöhlte Baumstämme, die durch eiserne Zwingen zu Wasserleitungen verbunden wurden.
Während der Bedarf von Teilen der Altstadt schon um das Jahr 1000 mit gutem Quellwasser vom Illerhang bei Kottern gedeckt wurde, hatte die Stiftssiedlung zur gleichen Zeit mit schlecht gefassten Quellen ihre Not.
Das Verhältnis von Freier Reichsstadt und Stift war meist nicht das beste. "Konsequenterweise" gab es immer wieder Streit ums Wasser.
Mit dem Wiederaufbau der Residenz nach dem Dreißigjährigen Krieg stieg der Wasserverbrauch stark an. Nach langwierigen Verhandlungen, die Fürstabt Bernhard Gustav von Baden mit der Reichsstadt führte, kam es zur Einigung, die im "Wasserbrief" von 1677 festgehalten wurde. Der Brief regelt vor allem die seit 1608 bestehende Teilung des Mühlbachs unterhalb der Hofmühle neu.
Mit dem Ziel, Mühlwerke unabhängig von der Stadt betreiben zu können, ließ Fürstabt Rupert von Bodman von 1693 bis 1701 die erste Kemptener "Fernwasserversorgung" bauen. Rund ein Drittel der 14,5 Kilometer langen Fernleitung vom Eschacher Weiher bestand aus künstlich angelegten Kanälen.
Die im Wasserbrief von 1677 festgehaltene Einigung hinderte Reichsstadt und Stift nicht daran, mit Hingabe zu prozessieren. 1707 erhob die Reichsstadt Klage beim Reichskammergericht in Wetzlar, weil das Stift den städtischen Brunnenmeister und Bürger Johannes Dannheimer ins Gefängnis gesteckt hatte. Das Stift verdächtigte die Reichsstadt, gutes Brunnenwasser in die Stadt zu leiten, trübes, mit Fäkalien verschmutztes Wasser dagegen in die Stiftssiedlung. Der Streit endete erst 1716 mit einem Vergleich.
1802 besetzten bayerische Truppen Kempten. Der Staat übernahm in der Folge die Wasserversorgung - mit mäßigem Erfolg. Nach dreißigjährigen Verhandlungen wurde 1844 ein Vertrag geschlossen, der der Stadt Kempten die Wasserhoheit zurückgab.
Bei der Vereinigung von Reichsstadt und Stiftsstadt 1818 wurde die Trinkwasserversorgung als wichtiges Problem erkannt, der Ausbau der Kotterner Wasserleitung aber erst 1845 begonnen. Den Vorschlag, für die hölzernen Deichelleitungen - dem Stand der Technik entsprechend - gusseiserne Rohre zu verwenden, lehnte der Magistrat der Kosten wegen ab. Die Deicheln erwiesen sich in der Folgezeit als im Unterhalt sehr teuer. Sie wurden ab 1865 durch Gussrohre ersetzt.
"Mit diesen Quantitäten ist Kempten eine der am reichsten versorgten deutschen Städte." Zu diesem Schluss kamen die Ingenieure Gruner und Thiem aus Dresden in ihrem Gutachten zur künftigen Wasserversorgung, das sie dem Kemptener Stadtrat 1874 vorlegten. Der "Wohllöbliche Rath" setzte die Vorschläge der beiden aus Kostengründen allerdings nicht um. Deshalb war am Ende des Jahrhunderts die Versorgung mit Trinkwasser "vollkommen ungenügend".
Mit dem weltweit ersten Einsatz eines Dieselmotors für die industrielle Produktion ab 1898 in der Zündholzfabrik, begann in Kempten eine neue Ära des Industriellen Zeitalters.
Die Ingenieure Gruner und Thiem hatten der Stadt 1874 ein Wasserwerk nahe gelegt, das auch bei einer Verdoppelung der Einwohnerzahl von 12.000 auf 24.000 den Bedarf gedeckt hätte: "Nur die Höhen südlich von Lenzfried eignen sich zu einem Platze für das Reservoir."
Der Magistrat beschränkte sich aber darauf, die gröbsten Probleme zu beheben.
Der Hochbehälter Lenzfried diente allerdings bis zur Gebietsreform 1972 der Versorgung der Gemeinde St. Mang.
Die Kemptener Wasserversorgung war 1911 im Wesentlichen auf dem Stand von 1873. Allerdings hatte die Stadt jetzt 21.000 Einwohner. Die Quellgebiete waren die gleichen - ergänzt um den 1900 erbauten Hochbehälter Haubenschloss und die Quelle in Halden/Gösers.
"Die Stadt würde in unabsehbare Wassernot kommen, wenn beim Auflassen der Kotterner- und Neudorferquellen erst mit dem Projektieren und Bauen einer neuen Anlage begonnen werden müsste." In einem Bericht vom März 1928 machte das Stadtbauamt klar, dass die beiden "Hauptstützen der Kemptener Wasserversorgung" nicht auf Dauer genutzt werden könnten. Es sei ein "unhaltbarer Zustand", dass die Quellfassungen unter den Ortsteilen Kottern und Neudorf liegen. "Die Verseuchungsgefahr nimmt von Jahr zu Jahr immer mehr zu, da die Besiedlung auf den Quellgebieten immer dichter und zahlreicher wird."
Die Wasserfassung musste also aus den Ortschaften hinaus verlagert werden.
Neben der Qualität war auch die Quantität ein Problem. So mussten die Bewohner der oberen Geschosse in Gebäuden, die über die Kotterner Leitung versorgt wurden, "zeitweilig ohne Wasser" auskommen.
Der zweite Weltkrieg erreicht Kempten und auch die Wasserversorgung ist betroffen. Schreiben des Reichsluftfahrtministeriums an die Kommunen
Trotz der neuen Quellen in Betzigau erreichte die Wasserversorgung nach zehn Jahren wieder ihre Leistungsgrenze. Der Bedarf betrug inzwischen 1.500.000 Kubikmeter pro Jahr. In dem Exposé "Die Wasserversorgung der Stadt Kempten" kam das Stadtbauamt zur gleichen Analyse wie 1928.
Die Lösung: "Das Projekt Öschlesee ist mit größtem Nachdruck in Angriff zu nehmen, sobald die Bausperre aufgehoben wird." Während des Zweiten Weltkrieges war eine Realisierung nicht möglich. Das Bauamt wies auf den seit 1936 ständig zunehmenden Jahresverbrauch hin und rechnete mit einem weiteren Ansteigen nach dem Krieg. Das Bevölkerungswachstum in Kempten war nicht "organisch", sondern von der Industrialisierung und der damit verbundenen Urbanisierung geprägt.
Nach 1945 kamen rund 10.000 Heimatvertriebene nach Kempten.
Das Wasser blieb knapp.
Plan einer Wasserversorgung durch Speichervorkommen des Öschlesees
Nach der Initialzündung Währungsreform - Einführung der D-Mark 1948 - begann in Deutschland die Phase des "Wirtschaftswunders" - auch in Kempten. Es setzte eine Jahrzehnte lange rege Bautätigkeit ein, für die es in der Geschichte kein Beispiel gab. Die Bevölkerung wuchs und die Suche nach Trinkwasser wurde intensiv fortgesetzt.
"Es ist daher klar, dass in Kempten empfindlicher Wassermangel eintreten wird, sobald die Quellschüttungen etwas zurückgehen. Die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage ist daher äußerst vordringlich." Das Bayerische Landesamt für Wasserversorgung gab 1949 eine positive Stellungnahme zur geplanten Grundwasser-Erschließung bei Krugzell ab.
Die Lage in Kempten spitzte sich dramatisch zu. Die maximale Gesamtfödermenge betrug 1950 rund zwei Millionen Kubikmeter pro Jahr. Der Bedarf war jedoch größer. "…, steht das Wasserwerk Kempten an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Der Wassermangel ist bereits so groß, dass industrielle Großabnehmer auf anderweitige Wasserversorgungen angewiesen sind."
Nach erfolgreichen Probebohrungen im Süden, bei Burgratz, wurden 21 Brunnen erschlossen, die zusätzlich 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser lieferten. Endlich entspannte sich die Situation. Jetzt war es möglich die Quellen Kottern und Neudorf aufzulassen. Diese Quellen stufte das Bauamt schon 1928 - der zunehmenden Besiedlung wegen - als problematisch ein.
Die Stadt Kempten zählte inzwischen 44.300 Einwohner. Um die weiter zunehmende Nachfrage befriedigen zu können, führte das Städtische Wasserwerk Probebohrungen im Gebiet von Ortwang ca. 25 km südlich von Kempten durch. Mit Erfolg. Es wurde ein riesiges Wasserreservoir entdeckt. Allgemeines Aufatmen war die Folge, es zeichnete sich ein Ende der Wasserknappheit ab und die Planungen für den Leitungsbau begannen.
Das Vorkommen Ortwang erwieß sich als so groß, dass neben Kempten weitere Gemeinden von dort ihr Trinkwasser beziehen konnten. Zusammen mit der Stadt gründeten sie den Zweckverband Fernwasserversorgung Oberes Allgäu.
Bevor die Reserven der neuen Vorkommen wirksam wurden brach im Februar 1972 in Kempten die große Wassernot aus. Ursache war das Niederschlagsdefizit in den vorangegangenen Monaten. In den Stadtteilen Rothkreuz, Thingers und Stadtweiher gab es nur noch von 6.30 Uhr bis 7.30 Uhr, von 11 Uhr bis 13 Uhr und von 17.30 Uhr bis 19 Uhr Wasser. Das Hallenbad wurde geschlossen.
Die Gemeinde Waltenhofen lieferte täglich 150 Kubikmeter Wasser, mit denen der Stadtteil Eich versorgt wurde.
Mit der Fertigstellung der Leitung von Ortwang nach Kempten und der Übergabestelle Hochbehälter Steinberg (Steufzgen) waren die Engpässe beseitigt. Neben dem Fernwasser nutzte Kempten weiterhin die eigenen Quellen in Leubas, Betzigau, Fleschützen und Burgratz.
Wasserversorgung der Stadt Kempten zwischen 1950 und 1975: eine geplante Nordvariante bei Krugzell wurde aus Kostengründen fallen gelassen; die Alternative Burgratz sicherte die Versorgung für die folgenden Jahrzehnte:
Das Wasser war von guter Qualität und in ausreichender Menge "lieferbar", doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden geändert. Dass die Quellen in Betzigau und Burgratz in naher Zukunft aufgegeben werden mussten - mit gravierenden Folgen für die Versorgungssicherheit - zeichnete sich zu Anfang der 90er Jahre ab.
Überwiegend stammte das Trinkwasser für Kempten damals aus den eigenen Anlagen
Der kleinere Teil wird aus Lieferungen des Zweckverbandes Fernwasserversorgung Oberes Allgäu gedeckt.
Die Überlegungen, wie der Bedarf ohne Betzigau und Burgratz "dauerhaft" zu sichern sei, führten zu dem Konzept Wasserversorgung 2000. Rund um Kempten war (und ist) nicht mit ausreichenden Wasservorkommen zu rechnen. Die Lösung konnte nur lauten: mehr Fernwasser.
Neben der verfügbaren Wassermenge war die Versorgungssicherheit ein wesentliches Kriterium. Da der Anteil des Fernwassers stark zunehmen würde, wäre die Sicherheit mit nur einer Fernleitung nicht mehr ausreichend gegeben gewesen. Ein Rohrbruch - und in Kempten wäre sehr schnell wieder der Wassernotstand ausgebrochen. Auf dem "zweiten Versorgungsstrang" basierte deshalb das Konzept Wasserversorgung 2000 ganz wesentlich.